Schlicht falsch benutzt

Es gibt so gesellschaftliche Sprachfehlbenutzungen, die sich komischerweise dann irgendwie überall durchgesetzt haben. Der "Alptraum" war so ein Sprachfehler. Weil der "Albtraum" fast flächendeckend konsequent ignoriert wurde, hat sich der Duden schließlich breit schlagen lassen und auch den oft belachten "Alptraum"schließlich gelten lassen.
Aber es gibt auch Wörter, die nicht nur in der Schreibweise, sondern auch in der Bedeutung abweichend benutzt und nie mehr hinterfragt werden. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass die Menschen sich aber trotzdem zu verstehen scheinen.

 

"Ich habe eine Grippe!"

Höchstwahrscheinlich ist das zumeist aber gar nicht der Fall, sondern es liegt üblicherweise nur ein "grippaler Infekt" vor. Kurz: eine "Erkältung", umgangssprachlich auch bekannt als "Schnupfen". Ein solcher Infekt kann sich von "leicht" bis "schwer" entwickeln. Ein Schnupfen ist nervig und kann einen auch schon mal drei Tage lang aus dem Verkehr ziehen. Nach sieben Tagen hat es sich normalerweise dann erledigt. In den meisten Fällen heilt ein Schnupfen ohne Folgen aus und hinterlässt eine Immunität gegen die auslösenden Bakterienstämme. Weil Bakterien sich aber ständig verändern, kann man in einem Jahr gut und gerne bis zu fünf Mal flachliegen. Antibiotika können helfen.

Eine echte Grippe ist dagegen ein ganz anderes Kaliber und sie ist immer schwer. Sie wird durch Viren hervorgerufen, das macht sie so gefährlich, weil diese ja nicht auf  Antibiotika reagieren. Wer schon mal mit "der Grippe" daniederlag weiß, wie beängstigend rasant der Krankheitsfortschritt sich innerhalb weniger Stunden entwickelt. Er hat erlebt, welche Schmerzen das sind und wie elend man sich fühlt.  Grippe-Opfer sagen: "Noch ein bisschen schlimmer und das wäre es dann gewesen, glaube ich!" Immunsuprimierte und sehr schwache Menschen können daran versterben. Eine Grippe radiert uns zwei Wochen von der Bildfläche. Weil diese Viren so aggressiv sind, wirken sie sogar neurotoxisch - zum Beispiel auf die Geruchs- und Geschmacksnerven. Mancher Patient erleidet hier eine lebenslange Beeinträchtigung und auch irreversible Totalausfälle sind gar nicht so selten. 

 

"Ich habe eine Bronchitis!"

Auch hier ist höchstwahrscheinlich zumeist nur ein "Infekt der oberen Atemwege" gemeint, auch schlicht bekannt als "Husten". Unangenehm, aber nicht bedrohlich. Nach ca. zwei Wochen ist der Spuk zumeist vorüber. Er reagiert gut auf Schleimlöser und Hustenblocker, sogar auf Antibiotika.

 

Eine Bronchitis ist dagegen ein ernsterer Zwischenfall. Sie beginnt wie eine schwere Erkältung mit allen Symptomen und fokussiert sich dann auf den gesamten Atemapparat. Das "-itis" im Namen verrät ihren Urgrund: die Entzündung. Auslöser sind aggressive Viren. Es kommt zu Schmerzen, Schwellung - und teilweise massiver Eiterbildung. Beeinträchtigungen der Atemfunktion und der Sauerstoffversorgung sind häufig, die Hustenanfälle teilweise beängstigend heftig und ununterdrückbar. Medikamente sprechen nur schlecht, oder gar nicht an. Es entwickelt sich mit der Zeit ein eitriger Auswurf, der sehr unappetitlich und schmerzhaft ist. Eine echte Bronchitis ist extrem langwierig: zwei Wochen Akutstadium, zwei Wochen Latenzstadium und zwei Wochen dann Ausheilung. Uff, da weiß man was man hatte, guten Abend!

 

"Ich habe mal wieder meine Depressionen!"

Hoffentlich nicht. Zumeist wird mit diesem Mode-Ausdruck das Vorhandensein "depressiver Verstimmungen" beschrieben. Man ist irgendwie "down", "hängt voll durch" und weiß nicht mal, warum einem so der Schwung und die Lust fehlen. Auch bekannt als: "Ich bin irgendwie deprimiert". "Depris haben" wird dieser unangenehme Zustand neuzeitlich oft genannt. Man fühlt sich nicht toll, Anlass zur ernsten Sorge ist das aber nicht. Und es hat auch nichts mit dem namensstiftenden Krankheitsbild zu tun - gottseidank!


Eine echte Depression, die bis hin zur "klinischen Depression" gehen kann, ist das langfristige, scheinbar auch manchmal grundlose, Fehlen jeglicher Lebensfreude und jeglichen Sinns. Eine Trauerepisode hat sich verselbstständigt und beherrscht, ohne Möglichkeit des Einlenkens durch Vernunft oder Willenskraft, die Psyche eines Menschen. Er ist in einem Zustand gefangen, in dem ihn nichts mehr berührt, in dem er nichts mehr fühlt. Er ist "mehr tot als lebendig". Dies ist ein erstes Krankheitsbild und führt nicht selten bis in die Invalidität und Erwerbsunfähigkeit - oder in den Suizid.