Clean Desk

"Clean Desk", also ein leerer Schreibtisch, ist weit mehr als ein Management-Diktat und noch viel mehr als eine bloße Angewohnheit. Es ist eine erlernte und weitreichende Geisteshaltung. Sie bedeutet unter anderem, dass man freiwillig, und aus gutem Grund, einen Teil seines Tages auf Ordnung und Klärung verwendet. Einer der Gründe ist es sicherlich auch, weil man einfach zu faul zum Suchen ist! Ein anderer Grund ist, dass man ehrlicherweise oft unwillig und unfähig ist, den ganzen Müll ständig zu verwalten, den man um sich und in sich Tag für Tag aufbaut.

Viele von uns haben in verschiedenen Disziplinen den Hang zum verdeckten und einseitigen Messietum (~ Messie-Syndrom = Vermüllungs-Zwang). Ich zum Beispiel habe den deutlichen Hang zu stapeln und zu nisten, wenn ich mich nicht straff koordiniere. Ich hinterlege überall "Merker" und "Erinnerungen", bis die Wohnung irgendwann voller "Nester" mit irgendwelchem Zeugs ist, das ich dann ja unbedingt "demnächst mal" machen wollte ... Das geht dann jeweils von der Katzenbürste über die Steuererklärung, umfasst aber auch einen abgerissenen Knopf, eine leere Pflaster-Schachtel und das stumpfe Gemüsemesser. Und irgendwann frage ich mich dann entnervt, warum ich das alles nicht eigentlich auf eine Liste geschrieben habe und das Zeugs dann mal weggeräumt. Keine Ahnung! In dem Moment erscheint es mir sinnvoll zu stapeln, damit ich alles im Blick behalte. Wie wichtig es ist, täglich bis zu zwanzig mal eine mitten auf dem Tresen geparkte Katzenbürste hin und her zu schieben, kann sich möglicherweise nur ein Katzenbesitzer vorstellen. Möglicherweise aber auch nur ein Verhaltenstherapeut! Die Katze müsste nur gebürstet werden - dann könnte auch die verdammte Bürste endlich weg, aber irgendwie kommt es dann doch nie so weit ... Kontext: ????

 

Weil ich all das weiß, habe ich mich kategorisch viele Jahre lang dazu erzogen überhaupt keine Stapel und Nester mehr anzulegen! Und keine Listenwälder zu pflanzen. Früher hatte ich nämlich nicht nur eine unselige Neigung zu Stapel und Nest, sondern auch noch zum Listen schreiben. Und dann lagen außerdem überall Nester und Stapel mit Listen herum! "Geht's eigentlich noch?!", durfte ich mich dann irgendwann entkräftet fragen. Aber einige müssen die nach unten offene Skala der Irrsinnigkeiten eben erst massiv unterschreiten, bis sie den Wahnsinn dahinter erkennen können. Darum gibt nur noch eine einzige ToDo-Liste für mich.

 

Das Problem dabei ist ja tiefer gehend: Der "Müll" steckt zwischen den Ohren und müllt sich dann so langsam nach draußen! Um sich dort zu stapeln, zu listen und um zu nisten! Während die Wohnung langsam aber sicher verslumt. In meinem Hirn ist also die Vermüllung angesagt, erarbeite ich folgenschwer. Und alles bleibt beim Alten, wenn ich da nicht endlich anfange aufzuräumen. Muss man sich wirklich alles merken?! Muss man echt jedes blödsinnige Zitat memorieren können?! Muss man tatsächlich alles wissen oder wenigstens mal gewusst haben?! Warum noch mal?! Ich bin ein Brain-Messie - wenn man mich lässt! Und ich vermülle meine arme Rübe mit Millionen von sicherlich interessanten aber völlig unnützen Informationseinheiten, wenn ich nicht haargenau aufpasse! Also erst mal in der Birne Sperrmüll machen ... Das war hart! Ich rettete mich nach altbekannter Art: mit einer Liste! Lies: mit einer Liste! Ich nenne sie "Nice to do"-Liste. Und da kommt alles drauf, was auch oft nur Brain-Junk ist: Was ich mal überdenken will, was ich mal lesen will, was ich mal ausprobieren will, worüber ich ein Buch schreiben will, was ich mal bloggen will, was ich mal besprechen will und was ich mal machen will ... Die Liste ist immer erschreckend lang. Aber sie hat viele Vorteile! Weil ich es "Der Liste" gegeben habe, entspannt sich mein Gehirn, lässt es los und verwaltet das nicht ständig mit. Weil ich es nicht sofort gemacht habe, hat es sich möglicherweise schon selber überholt oder ist einfach unwirksam geworden. Wenn es wichtig war, begegnete es mir hier erneut und ich mache es dann oder delegiere es endlich.

Ach, welche Wohltat "doofe Einfälle" unbedacht, unausgesprochen und unerledigt von der Liste zu streichen, Kopfschütteln inklusive!

 

Geholfen hat mir aber auch mein alter Kumpel Sherlock Holmes. Der sagte, während er gemütlich am Pfeifchen schmauchte zu Watson: "Alles, was einem nicht weiter hilft seine Ziele zu erreichen, ist vollkommen unnötig! Das gilt auch für scheinbar großartige Gedanken und vermeintlich wichtiges Wissen. Was macht nicht braucht, hat nicht nur keinen Nutzen, sondern es stört auch das klare Denken!"

 

Amen.