Der kürzlich öffentlich gemachte Fall von "Internetpiraterie gegen eBook-Autoren" führte zu erregter Bestürzung, insbesondere unter den Selbstverlags-Autoren: "So ein Schock, ich wurde bestohlen von meinen eigenen Fans! Der Dieb wohnte in meiner eigenen Facebook-Chronik!"
Das ist leider ein oft übliches Verhalten in der Kriminalistik: Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd, der Täter sitzt oft im Umfeld. Je erheblicher das Verbrechen, um so näher ist oft der Täter. Überzufällig häufig passieren Gewaltverbrechen genau in der Familie …
In diesem Fall eröffneten Fans einen kostenlosen "eBook-Saug-und-Tausch-Service" direkt auf Facebook.
Angeblich ginge es den Autoren aber nicht um materielle Aspekte, sondern hauptsächlich um die Enttäuschung über diesen Vertrauensbruch. Insbesondere Selfpublisher pflegen nun mal notgedrungen einen intensiven Umgang mit ihren Lesern. Und geben diesen Unbekannten dann auch gerne mal kostenlose, noch gar nicht veröffentlichte Voll-Manuskripe zur gefälligen Rezension in die Hand.
Und - Pottizetti - die tauchen jetzt dann plötzlich überall kostenlos auf …
Auf der einen Seite gaben nun die Autoren ihrer Erschütterung darüber Ausdruck.
Auf der anderen Seite durften Sie sich dann über empathische und wertschätzende Postings freuen :
"Warum soll ich für eBooks bezahlen?! Das sind doch gar keine richtigen Bücher, sondern nur getippte Wörter!“
"Ich finde -,99 Cent zu teuer für ein eBook! Macht das doch billiger, wenn ihr nicht wollt, dass die kopiert werden!“
"Es ist kein Diebstahl, denn die Worte sind ja alle noch da, auch wenn ich sie 100 mal kopiere!"
"Zwingt irgendjemand irgendwen Bücher zu schreiben? Wer sagt denn, dass man mit Kunst überhaupt Geld verdienen sollte? Muss sich diese nicht selbst genug sein? Ganz ehrlich, wenn alle Kreativen in den Streik treten würden, es würde kaum einer merken!"
"Eigentlich wäre es sogar noch folgerichtig, wenn die Autoren ihren Lesern etwas zahlten! Schließlich kostet es ja auch Zeit, die ganzen Romane zu lesen. Zeit, in der man ja locker auch noch andere Romane herunterladen könnte ..."
Tja.
Es ist dasselbe Problem wie überall, wo sich die Grenzen zwischen "Mein" und "Dein" plötzlich zu Ungunsten einer der Beteiligten
vermischen. Zumeist ist das ein Fall von fehlender Achtung, fehlendem Respekt, fehlender Wertschätzung, nicht vorhandener Liebe und egoistischer Vorteilsnahme. Dazu muss man dem Bestohlenen
ja nicht mal absichtlich oder persönlich Schaden zufügen wollen. Es reicht einfach, dumpf genug für die Bedürfnislage anderer zu sein und ein minimiertes Unrechtsbewusstsein zu pflegen. Wie es
übrigens viele Mitmenschen im Angesicht des scheinbar anonymen Internets als rechtsfreier Raum überfällt. Sie würden das Buch nie aus dem Regal eines Geschäftes stehlen. Aber eine Raubkopie
desselben Buches, erfüllt für sie nicht ansatzweise den Tatbestand einer kriminellen Handlung im Rahmen einer Aneignung. Ich meine: Wenn es so einfach geht, wie kann es dann verboten
sein?!
Möglich, dass unsere Gehirne, und die darin moralisch verankerten Wertvorstellungen, irgendwie den Übertritt in die virtuelle Realität oft noch nicht ganz geschafft haben.
Natürlich ist es für das ganze Verhältnis zum Leben und zum Urvertrauen mal wieder ein fetter Tritt in den Hintern, wenn das mühsam aufgebaute Vertrauen zwischen Autor und Leser so offen missbraucht wird.
Da hilft aber auch nicht, sich zuzurufen, dass es wieder mal nur einige wenige Ausbeißer waren. Die scheinen nämlich viel
unterwegs zu sein!
Dennoch ist die Aufruhr auch ein wenig verwunderlich: Follower, Fans und Leser sind doch im Großteil virtuelle Gestalten und keine Verwandten. Die mögliche Hemmschwelle auch jemanden zu beklauen, den man angeblich bewundert und mag, sollte nicht so schockieren.
So ist die Welt.
So ist die Zeit.
So ist der Mensch.
So war das übrigens schon immer!
Mit Menschen, die man dazu nicht auch noch persönlich im Auge hat, ist in der Regel nicht all zuviel los, wenn persönliche Vorteile winken. Das wussten schon Philosophen wie Sokrates, Epiktet und Jesus.
Und es hat sich leider nicht geändert.
Es gehört zum Erwachsenwerden auch mit dazu einzurechnen, dass man niemandem wirklich bis zum Letzten trauen sollte. Einfach weil man in niemanden wirklich bis zum Letzten hinein schauen kann.
Und in Fremde schon mal gleich gar nicht. Noch viel weniger, wenn sie „sweetAnita1974“ heißen … Und nur weil „sweetAnita“ mir vier Euro für mein eBook überwiesen hat, macht sie das noch lange nicht zur Vertrauensträgerin.
Schade eigentlich.
Aber leider nicht zu ändern.