Falsches Pferd

Manchmal sitzt man falsch herum auf einem lahmen, bissigen Pferd, reitet in die falsche Richtung, an einen Ort den man nicht mag und an den man nie wollte ... Außerdem fällt einem unterwegs gerade ein, dass man ja auch gar nicht reiten gelernt hat. Kurz: eine absolut aussichtsreiche und vollkommen entzückende Situation! 

Man fragt sich, während man an dem lahmenden Gaul festgeklammert mit schmerzenden Gliedern im Sattel hängt, wie in Gottes (oder Teufels?!) Namen man eigentlich dahin gekommen ist. Absteigen käme aber auch nicht in Frage: mitten in der Wüste, oder was?!

Ich kenne Menschen, für die ist dieses Muster eine absolute Wiederholungsschleife - ungefähr wie ein unendlicher Looping durch die Geisternbahn. Sie entscheiden sich zielsicher für die falschen Dinge, Menschen, Verträge - nur um sich immer wieder (und immer schneller) auf dem verdammten Ackergaul Richtung "Taka-Tuka-Land" wiederzufinden! In solchen Fällen habe ich versucht den Grundsätzen ihrer Entscheidungen mal auf den Grund zu gehen. Welchen Prozessen folgten diese Entscheidungen? Etwas interessantes kam zum Vorschein: es war nicht selten eine erahnte/befürchtete/echte Eile und noch viel öfter der irrige/angenommene/echte Druck "irgendetwas tun/ändern/veranlassen zu müssen". Und unter diesem Druck wurden dann eben Angebote in Betracht gezogen, die weder zur Person, noch zur möglichen Richtung, noch zu irgendwelchen Zielen, noch zu den wichtigsten Werten passten. Nur um "schnell irgendwas in dieser Hinsicht zu tun"!

 

Mancher hielt den Druck nichts  kontrollieren zu können nicht aus. Ein anderer den freien Fall der Unsicherheit nicht. Und den nächsten bissen massive (Existenz)ängste. Diese Menschen haben alle etwas gemeinsam: Sie sind es gewöhnt auf dem falschen Pferd zu sitzen. Es ist ein Teil ihres Lebensgefühls: nie richtig angekommen zu sein, nie richtig reinzupassen und immer mit Unannehmlichkeiten und Widrigkeiten kämpfen zu müssen.

Um den falschen Entschluss selber nicht fühlen zu müssen (und sich deswegen dann noch mieser zu fühlen, oder gar Schuldgefühle zu kriegen), um in die falschen Randbedingungen irgendwie doch noch reinzupassen, wird dann nicht selten übermenschlicher Einsatz gebracht. Das Engagement soll mit Lebenskraft ein Dazugehören (und manchmal euch ein es-doch-noch-mögen-können) ermöglichen. Tut es aber nicht, so rum funktioniert es nämlich leider nicht! Das Ergebnis ist nicht selten ein Burnout. Denn weil man ja keine echte innerliche Verbindung dazu hat, weiß man natürlich nie, wann Schluss ist. Ein Teufelskreis.

 

Das ist leider ein damals schon zuhause erlerntes Muster. Erbe eines wenig empathischen, nicht liebevollen und in groben Grundzügen auch eigentlich uninteressierten Erziehungsstils. Entweder wurden Dinge angeordnet, oder wenn selber gewählt wurde, "hing man darin dann für immer fest". Abwählen wegen Irrtums oder auch wegen "alle nötigen Erfahrungen wurden gemacht", war nicht möglich. Aufgeben war keine Option, Abbrechen war eine absolute Loser-Erfahrung! Insbesondere die Generation der Kriegskinder sind mit dem hitlerschen und adenauerschen Durchhaltegeist indoktriniert und geben nicht auf, auch dann nicht, wenn es sich total scheiße anfühlt. Und das wurde dann eben 1:1 so weitergegeben, möglicherweise auch sogar als unumstößlich teuschte Tugend: Durchhaltewillen!!!

Und damit landet man dann nicht nur auf dem falschen Gaul, sondern bleibt da auch drauf sitzen. Man ist geprägt. So fühlt sich das eben an. Muss alles ja auch keinen Spaß machen.

Oder ...?