Jeder weiß ja, wie lästig und nachhaltig schwarz Eingebranntes ist ... Darum bin ich umso erstaunter über den anhaltenden Tätowierungs-Boom (ätzenderweise ja nur noch "Tättuuh" genannt), insbesondere unter jungen Frauen. Noch erstaunter bin ich über den aktuellen Trend, sich deutsche Botschaften einbrennen zu lassen. Möglicherweise denken die Ladys in dem Alter noch, dass natürlich sowieso immer alles für immer ist ...? Und dass man in 30 Jahren noch dahintersteht, was man sich mit 23 auf die Brust hatte stanzen lassen ...? Und dass man es noch genauso wichtig findet, dass jeder einen erst mal durchliest, bevor er "Grüß Gott" sagt ...?
All diese wichtigen Messages müssen auf jeden Fall immer in schwarz eingebrannt werden und das in schnörkeliger Schreibschrift. Sehr beliebt dieser Tage ist die Sonnenterrasse "Busenansatz", die Schrift sitzt zumeist links und ist immer nach oben gewölbt.
Wenn schon, dann alles!
Da fragt sich der zufällig Lesende: "Wenn schon - von WAS genau, bitte...?! Durchfall? Syphillys?? Hartz 4???"
Es fällt auch auf, dass diese Botschaft nicht mal den dünnsten Minimalanspruch an einen deutschen Satz erfüllt. Er hat weder Verb, noch Nomen, noch Prädikat, noch Präposition, er hat eigentlich bloß Füllwörter - wahrscheinlich ist er deshalb auch so leer.
Ganz oder gar nicht!
Auch da fragt sich der Konsument dieser tiefsinnigen Botschaft: "Ganz pleite gegangen? Ganz schwanger geworden?? Ganz blöd gelaufen???"
Doof daran ist der Moment, wenn die betreffende Grazie mit ihrem pseudo-charismatischen "Ich ramm mir das Leben aber so was von voll in den Hals!"-Spruch dann endlich ihre offensichtlich längst überfällige ADHS-Diagnose kriegt. Und in dem Moment möglichenteils ansatzweise realisiert, dass WIR das mit der Diagnose ja nun schon seit Jahren wussten!
leben - lachen - lieben
Der Leser sagt sich hier wohl tendenziell leicht resigniert: "Na, wenn sonst nichts weiter anliegt, ist es ja gut ..."
Ich dachte immer, ich kannte schon das Lowlight der tätowierten Liga. Es war ein Saufkumpan eines Ex-Freundes, der sich im Suff einen schlecht gemachten Reißverschluss an den Hals hatte einbrennen lassen. Dieser war an der Seite etwas geöffnet und darunter stand krakelig zu lesen:
Bitte nicht ziehen!
Gut, Saufbruder eben. Aber heute sah ich die Krönung der geistigen Flops unter scheinbar normalen Menschen. Wieder eine Frau um die 25 Jahre. Das "Tättuuh" befand sich in der Position, dass man es, wenn man hinter ihr war, bei links getragenem iPhone (so auch hier vorgeführt) super auf dem Oberarm über dem Ellenbogen ablesen konnte:
C’est la FUCKING Vie!
Ich musste es wirklich dreimal lesen, um dann zu realisieren, dass die Trägerin wahrscheinlich ein echtes multikulturelles Linguini war. Möglicherweise aber auch nur eine Lasagnenudel: schön platt und eventuell auch breit an dem Tag gewesen ...
Es erinnerte mich, ich weiß jetzt nicht warum, an eine gewisse Fahrt in der U5 zur "Wies'n-Zeit". Da stand an der Haltestange angeklammert eine mollige und total besoffene Schickse in Mini-Billig-Dirndl, keimigem Rucksack fast in den Knien hängend, Cowboystiefeln, "Spatzl"-Lebkuchenherz und "Tättuuh" auf der Brust:
Power-Prinzessin
Sie grölte mit versagender Stimme: "Gebt mir ein Z! Gebt mir ein P! Gebt mir ein *huuupppsss* V! Gebt mir ein ... äh ... K!" Und ich dachte: "Zpvk ...?! Gebt mir eine Quali! Gebt mir einen Schulabschluss!! Gebt mir doch bitte schnell ein
Hirn!!!"
Schon seltsam, was heutzutage alles so an der Nadel hängt.