Wie jede andere "starke Frau" können SIE es wahrscheinlich auch schon seit vielen Jahren nicht mehr hören ...? Wann immer "so Eine
wie wir" den Mund aufmacht, um eine gepfefferte Bemerkung rauszuhauen oder auch mal gezielt Kontra zu geben, geht es wieder los. Mindestens einer der anwesenden "Männer" runzelt die
Augenbrauen und sagt (nur ungekonnt die heimliche Missbilligung verbergend) nuschelnd zu seiner Pizza: "Naja, Du bist halt schon auch eine sehr starke Frau ...!"
Insbesondere, wenn "so Eine wie wir" sich über das bekloppte Benehmen einer seiner Geschlechtsgenossen ausführt, greift sofort der "Krähen-Reflex": "Naja, Du bist halt schon auch eine sehr starke Frau ...!"
Kontext: "Selber Schuld!"
Sub-Kontext: "Geschieht Dir ganz Recht!"
Das "Männer" sich mit solchen Anti-Sprüchen selber die Hosen runterziehen und zugeben, dass wir Ihnen Angst machen, kriegen sie
scheinbar nicht mit. Die passive Aggression, die dieser bescheuerten Bemerkung innewohnt, ist unübersehbar. Es passt ihm nicht, was er da hören muss! Und weder, dass er es dem Intellekt der Frau
zuschreibt, noch ihrer Klarheit, ihrer Rhetorik oder gar ihrer Brillanz. Nein, sie ist "halt sehr stark" - ungefähr wie eine Schlammringkämpferin. Und ebenso erotisch. Wenn so ein "Mann" das
sagt, ist unüberhörbar, dass es eine Beleidigung darstellt und das er sich wünscht, dass es sofort aufhört.
Wenn die Stärke dieser Frau ihm jedoch nützt, hat der gleiche Mann allerdings gar nichts dagegen, musste ich neulich dann ausversehen mal feststellen. Ein schwuler Bekannter informierte mich, anstatt einer zielführenden Antwort auf mein Problem mit seinen Regieanweisungen ("Irgendwie ängstlich ..." "Irgendwie erschreckt, ein Auto explodiert ..."), zuerst mehrfach, wie stark ich halt einfach auch sei. Das sollte wohl dann im Subtext bedeuten, ich solle mein Problem gefälligst selber lösen. Stark genug dazu war ich ja immerhin nach seiner Meinung.
Dann erzählte er von seinen Schwierigkeiten in homosexuellen Beziehungen mit Männern. Weil es Männer nämlich "naturgemäß immer aus der Beziehung heraus zöge", wäre das mit der Ausschließlichkeit, Treue und dem Vertrauen nicht sehr weit her. Dazu, und das bemerkte er trotz der Anwesenheit einer Frau unverblümt, benötigten Männer eben eine starke Frau! Eine Frau, die sich mit der ganzen Kraft ihres ganzen Herzens rückhaltlos an ihn hänge. Mit diesem kostenlosen Kredit im Rücken könne er sich dann frohgemut seiner Natur außerhalb der Beziehung widmen und es ginge ihm dann sehr gut damit! Er biss missmutig in eine mürbe Aprikose und mümmelte beleidigt: "Auf diese Weise funktioniert es immer, es haben dann nämlich beide was davon!" Die starke Frau starrte ihn mit offenem Mund voll fader Aprikose an. "Ehrlich gesagt sehe ich nicht, was ich als Frau - außer einem grundlegenden Beziehungs-Burnout und dem Verlust des Grundvertrauens da zu gewinnen hätte ..." Er schaute mich säuerlich an, wahrscheinlich weil ich so doof war. "Er bleibt Dir dann eben erhalten so!" Und das war in den Augen eines Schwulen dann der Gewinn, den eine Frau aus der Beziehung mit einem Mann zog, an den sie sich mit ganzer Herzenskraft hängte. Während es ihn (naturgemäß, schon klar, er kann natürlich nichts dafür) aus der Beziehung raus zog. Weil er danach aber immer wieder kam (und das tat er ganz bestimmt nicht, weil es so am bequemsten für ihn war), war sie die heimliche Gewinnerin dieser maroden Parodie einer Beziehung. Sie konnte sich sicher sein, dass ihr dieses Subjekt auch erhalten blieb. Möglicherweise lebenslang. Hauptgewinn!!! Ich nahm sehr nachdenklich noch eine von diesen unmöglichen Aprikosen, irgendwie war mir auch schon ganz mürb zumute ...