ba-ba, ba-ba

Als erklärter Nicht-Teilnehmer des neuzeitlichen Technik-Wahnsinns, habe ich für manche Novitäten ja leider dann gewisse geistige Verladezeiten. Diese werden immer dann ersichtlich, wenn ich mal wieder notgedrungen mit einem Bauchklatscher in der Realität ankomme. Nur zu Besuch, wie ich hier vermerken muss. Ich ziehe mich dann immer verwirrt schnell in die technische Steinzeit zurück. Eine Zeit, in der Toaster nur toasten können und nicht den elektrischen Widerstand der Toastbrotscheibe messen und den Bräunungsgrad automatisch an die vorhandene Feuchtigkeit anpassen ...

 

Neulich hatte ich wieder mal Vollkontakt. Ich machte einen Fehler, gut, man ahnt doch aber immer erst mal nichts böses! Ich rief nämlich bei "Vodafone" an ... eine Wahnsinnstat, ich gebe es ja zu! Es nahm sofort jemand ab. Eine - äh - Sie. Sie sagte glücklich: "Guten Tag und willkommen bei Vodafone! Ich bin Ihre Ansprechpartnerin und ich werde Ihnen helfen Ihr Anliegen schnell und unkompliziert zu klären! Einen Moment bitte, ich ermittele gerade die Daten Ihres Festnetzanschlusses. - - - Geht es um ein Problem mit diesem Anschluss? -  -  -  -  -  - Geht es um ein Problem mit diesem Anschluss? -  -  -  -  -  - Bitte sprechen Sie mit mir! Sie können ganz normal reden. Bitte sprechen Sie aber nicht zu schnell. Am besten verstehe ich kurze Schlagworte. -  -  - Geht es um ein Problem mit diesem Anschluss?" -  -  -

"N-n-n-n-eiiiinnnnn ...?!"

"Danke! Das habe ich verstanden! Geht es um ein Problem mit einem anderen Anschluss? -  -  -

"Jaaaaaa ...???"

"Danke! Es geht um welchen Anschluss, bitte? Bitte geben Sie die Nummer diesen Anschlusses, um den es geht, über die Tastatur ihres Telefons ein, oder nennen Sie mir ...  -  -  -

Kurz: Das ging dann immer so weiter! Irgendwann sagte ich entnervt: "Kundendienst!!!"

Uschi trällerte glücklich: "Das habe ich verstanden! Sie wünschen mit einem Kundendienstmitarbeiter zu sprechen! Einen Moment bitte, ich versuche Sie jetzt durchzustellen. Bleiben Sie bitte in der Leitung. Auf Wiederhören!" - - -

 

Dann sagte eine männliche(?) Stimme: "Mein Name ist Hase, was kann ich für Sie knuspern...", und ich plärrte irritiert "Sind sie echt?!" Hase sagte, ein Lachen unterdrückend: "Als ich das letzte mal nachschaute, war ich es noch ..." Und ich: "Ich hatte gerade Eure Uschi. Die ist ja wohl voll gruselig!" Und er, immer noch mit dem Lachen kämpfend: "Verstehe. Aber es hat ja alles geklappt ..." Und ich: "Ja, aber ich dachte ich telefonierte in der Geisterbahn..." Hase sagte: "Ich verstehe Sie. Es ist sehr beklemmend, wenn sich die Realitäten so dermaßen zu verwischen beginnen, dass Computer einen auffordern mit ihnen zu sprechen ..." Und ich, hörbar ausatmend: "Und dann tun sie auch noch so, als verstünden sie einen ..." Hase sagte empathisch: "An dieser Technik gibt es sicherlich noch viel zu tun. Apropos: Was kann ich denn für Sie tun ...?"

 

Dann schlug auch schon der nächste Technik-Troll in meiner Aura zu. Und endlich war ich auch in der Lage, eine von mir schon vor längerer Zeit in den Raum gestellte Frage http://nicole-diercks.jimdo.com/2014/12/05/die-neue-einsamkeit/ zu beantworten: "Was machten die Leute da eigentlich die ganze Zeit ständig an ihren Telefonen?!" Die Lösung war so einfach, wie offensichtlich. Und ich musste mich ernsthaft wundern, warum ich nicht schon früher drauf gekommen war. Die gesuchte Antwort lautete:

 

"ba-ba, ba-ba!"

 

 

Jetzt, wo das endlich mal geklärt war, fühlte ich mich auch plötzlich überhaupt nicht mehr einsam, sondern wahrhaft privilegiert.

Ich hatte nämlich einen Mann kennengelernt, der zu der neuzeitlichen Gattung gehörte, an dessen rechten Daumen ein Smartphone mit Flatschrate fest klebte. Das bedeutete real: Bei unserem ersten Spontantreffen kam es zu einer, von mir bereits als möglich avisierten, Verspätung von netto elf Minuten. Innerhalb dieser Zeit hatte ich, wie ich später erschüttert feststellte, "sieben Anrufe in Abwesenheit" und "zwei Nachrichten" von ihm verpasst. Das bedeutete überschlagen, dass er in diesen elf Minuten alle 1,22 Minuten das verdammte Handy in der Hand gehabt hatte, um Kontakt zu mir zu suchen. Das fand ich doch erheblich bedenklich.

Und es ging natürlich auch genauso weiter. Kaum hatten wir uns verabschiedet, klingelte schon wieder das Handy: Er sei dann jetzt auch schon zuhause. Nicht, dass ich mir irgendwie Sorgen machte. Und was ich gerade täte ...? "Fähmepupfen!", lautete die ernüchterte Antwort, "Iff daffte eff fei waf fiftigef! Füff!" Zehn Minuten später klingelte schon wieder das Telefon: Wie viel von dem Tee sollte er noch mal nehmen ...? Wie heiß sollte das Wasser noch mal sein ...? Wie lange sollte der Tee noch mal ziehen?

Meine Antwort war vielschichtig, eindeutig und handelte nicht  von Tee.

 

Ganz offensichtlich war dieser Kandidat einer von denen, die geistig dergestalt ständig im Datenstrom hingen, dass sie sich nicht mehr der Mühe unterzogen irgendwelche eigenen Gedanken zu produzieren. Und nicht nur, dass sie nicht mehr selber dachten, sie meinten wohl auch, dass sowohl zuhören wie sich was zu merken verschwendete Energien seien. Immerhin musste man ja heutzutage nichts mehr selber wissen. Man musste nur noch Informations-Quellen verwalten und dann im Bedarfsfall die richtige Quelle anzapfen! Im Nummernspeicher eines solchen Informations-Vampyrs zu stehen bedeutete, dass man ansonsten auch keine weiteren Ziele mehr im Leben brauchte. Das musste man schnell realisieren, sonst saugte der sich prompt fest!

 

Ich habe Euch den Link zu einem der typisch dadaistischen Liedern aus den Achtzigern beigefügt: "Baba, baba!" Die perfekte Vertonung dieses Blogs.

 "Electrica Salsa"  -  OFF (1986)
"Electrica Salsa" - OFF (1986)