Möglicherweise ist das wieder das typische Thema einer "starken Frau" ... sich ständig anhören zu müssen, dass man ja so wahnsinnig "anstrengend" sei ... Ich weiß nicht, wie oft ich mir das schon reinziehen musste. Zumeist bereits im Beginn der Bekanntschaft mit einem "Neuen". Der Spruch kommt zu 85% voraussagbar jedes Mal, egal, wer mir da auch entgegen sitzt: "Naja, Dich den ganzen Tag um einen rum, ich kann mir schon auch vorstellen, dass damit nicht jeder umgehen kann! Das ist halt dann auch schon ... / Du bist halt dann auch schon ziemlich anstrengend ...!"
Neulich bin ich dann mal gepflegt geflippt, vielleicht musste ich auch einfach mal meine hunderte Wiederholung feiern ...? Ich plärrte "ihn" übergangslos an, was ihn überhaupt anfechte mich plötzlich unter dem Gespräch in dieser Weise persönlich so dermaßen herab zu qualifizieren?! Ob er Streit suche, oder was das solle?! "Er" war verdattert ob des plötzlichen Temperamentausbruches. Und ich dachte verärgert: "Wenn der sich schon jetzt, in einem völlig neutralen Gespräch, die Freiheit nimmt mich ungeschönt einfach mal "anstrengend" zu finden, dann gebe ich ihm doch mal eine Erfahrung, die diesen trolligen Beitrag endlich auch mal rechtfertigt!" Die Antwort haute natürlich um: "Ja ... nee, jetzt ..." "Ach, wirklich!", funkelte ich "ihn" an. "Wie anstrengend Dir beim Stottern zuhören zu müssen! Kommt denn später noch was gehaltvolles?!" Er schluckte verstört - und sah plötzlich deutlich wacher aus, als vorher.
Ja, aus dem Nümmerchen kam er nicht mehr raus und ich hatte auf seine offene Verletzung des Kodexes dahin gehend reagiert, ihn jetzt voll das Gesicht verlieren zu lassen. Ich fing das diesmal nicht wieder mit einem gequälten, unechten Lächeln auf: Ich machte es erst richtig fett. Und da schluckte und räusperte er nun vor sich hin. Er sah genauso aus, wie man sich jemanden vorstellt, der mit einem Fuß auf rutschigem Kies am Abgrund und mit dem andern auf einer Bananenschale steht. Entzückend. Und er tat mir nicht die Bohne leid. Nicht die Brech-, nicht die Elefanten und nicht die Springbohne!
Dann kam endlich was: "Ja, Du bist halt sehr - naja - INTENSIV eben!" Und wieder voll im Fettnäpfchen gelandet! Er sah es an dem Reißverschluss, der mein Gesicht geworden war und eierte weiter. "Präsent eben! Ja, Du bist total präsent! Die ganze Zeit! Das ganze Gespräch lang - oder notfalls auch den ganzen Abend lang! Du schaltest nicht ab! Du schaltest Dich nicht weg, Du schaltest Dich nicht aus. Das heißt: Es gibt keine geistigen Windschatten, keine Schlupflöcher, keine Pause ... Du siehst alles, Du hörst alles, Du kriegst alles mit ....Uff!"
Ja, uff.
Und das war einer von einer der Sorte, die ständig von sich behaupteten, dass sie endlich mal uneingeschränkter Aufmerksamkeit und intensiver Zuwendung bedurften! Das war dann wohl nur eine Blase gewesen ... oder besser: Ein Bläschen.
Ich fragte ihn, was daran jetzt dann so verstörend war, dass er mich gleich beleidigen und wegbeißen musste?! Er wusste es nicht, wie überraschend. Aber ich wusste es plötzlich: "Es macht Dich nervös und sogar aggressiv. Denn Du kannst das weder beantworten, noch wärst Du bereit dazu es zu tun! Das ist Dir zu teuer. Das ist es Dir nicht wert. Du willst weiterhin in Deinem wohl tuenden Dämmer bleiben und noch etwas über die kalte, böse Welt da draußen jammern ... Du willst weder Einlassung, noch Betroffenheit erleben müssen. Und genau das fordert Dir meine mit Intensität gleichgesetzte Präsenz ab. Und das ist Dir dann eben einfach zu anstrengend ...!"
"Ja ..."
Was soll ich sagen: Das war dann wohl das Ende eines rasenden Abends ... Er endete mit der beklommenen Erkenntnis, dass es
wirklich Leute gibt, bei denen man in Versuchung kommt sich zu entschuldigen, einfach weil man eben am Leben ist - spricht lebendig. Also will sagen: Da bewegt sich noch was. Hallo
...?!