Man hatte mit der Jahrtausendwende ja versucht das alte "cool" der unmodern gewordenen Achtziger-Generation zu killen, schaffte es aber nicht. Das dafür hoffnungsvoll eingephaste "hot" packte es nicht mal bis in die Umgangssprache. Damals war das Wort zwar ständig in aller Munde, war aber vornehmlich ein Adjektiv, dass alleinig Menschen betraf. Zumeist war damit ein "cooler Typ" (wie zum Beispiel der Sänger von 'Alphaville') gemeint. Interessanterweise war es gegen Humanoiden tatsächlich eigentlich nur maskulin verwendbar! "Coole Bräute" gab es in den Achtzigern nicht, da waren die Bräute noch schnuckelig. "Ein cooler Typ" sah gut aus, war schmissig gekleidet (womöglich als 'Popper'), war beliebt, kam oft aus besserem Hause und hatte daher ein solches Selbstwertgefühl, dass er sich es leisten konnte "zum gemeinen Pöbel" eine wohltuende Distanz zu halten. Apropos 'Popper'! Ende der Siebziger wurde auf den Hamburger Gymnasien eine Gilde gegründet, die den Slogan „Sehen und gesehen werden, ist des Popper's Glück auf Erden!“ trug. Als "Rebellion gegen die Rebellion", setzte sie einen demonstrativ anspruchsvollen Konsumstil als ihr Markenzeichen ein. Dies war sowohl eine gewollte Abgrenzung gegen "den ganzen gewöhnlichen Rest", als auch Rebellion gegen den Konsum der "Spießer", wie auch gegen die politisch polemisierende und schwerst sozialkritische Strömung der Achtziger. Man konnte sagen: Ihre Götter waren Konsum und Oberflächlichkeit. Interessanterweise war dies aber schon der erste Schub der von mir in einem anderen Blog beschriebenen "Narzissen" und sein Geist hat sich bis heute erhalten. Markenzeichen der 'Popper' waren: Arroganz, Prestige, unverhohlener Egoismus, Abgrenzung, Klassendenken und materialistisches Imponiergehabe. Und das war dann "cool". Warum auch immer. Wahrscheinlich muss man dabei gewesen sein, um das verstehen zu können ...
"Cool" hatte schon damals die Potenz ein eigener Wert zu werden, denn jeder auf der Schule wollte heimlich auch irgendwie "cool" sein! Das Problem dabei war leider nur, dass wer sein Polohemd nicht bei 'Lacoste' kaufte, sondern in 'Uschi's Textilkiste', leider zwar jemand in einem Polohemd war, aber eben weit entfernt davon "cool" zu sein ... Sinnführend wäre diese ganze Coolness allerdings, auch rückblickend, eigentlich nur auf einer Schule für Salatgurken. Die müssen schließlich kühl (also: cool) sein, sonst sind sie nämlich bald tot. Und tot sein ist total uncool, gerade für eine Gurke. Aber ich schweife ab und gurke verbal herum ...
Später löste sich das Wort von der rein humanoiden Titulierung und funktionierte auch als anerkennendes, verstärkendes Adjektiv im Sinne von TOLL oder STARK, was heute als FETT bezeichnet wird. So konnte man damals überall als Kommentar hören: "Echt? Cool!" Einige Hängengebliebene (mit und ohne VoKuHiLa),"labern" bis heute peinlicherweise immer noch, haben "tierisch Hunger", sind "fix und foxi" und finden das hier gerade "sehr geil". Eine Bekannte schafft es, weit jenseits der Vierzigergrenze mittlerweile, auf jedes noch so mickrige Mitbringsel: "Cooooool!" zu plärren. Befremdlich irgendwie.
Heute ist "cool" sogar ein eigener Wert und bezeichnet alles, was Spaß und Vergnügen bereitet, was gelungen ist und was schnelle Befriedigung garantiert. Das Attribut "cool" ist heutzutage immer noch ein Adelstitel, eine Honoration und bedeutet "hohe Wertschätzung". COOLE MENSCHEN (heute können auch zwei X-Chromosomen "cool" sein), gelten als die ungekrönten Alphatierchen und diejenigen mit der idealsten Persönlichkeitsstruktur. Diese bezeichnet einen abgebrühten, rücksichtslos für seine Ziele eintretenden, dem Konsum zugewandten, innerlich distanzierten bis völlig unberührbaren Menschen ... Also eine astreine "Narzisse".
Um damit noch mal auf den Narzissmus zu schwenken: Der COOLE TYP hat eigentlich im Kern einen schizoiden Persönlichkeitsstil, bzw. vielleicht sogar auch eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Die Attribute dazu sind: Distanz, Zurückgezogenheit, Kühle, Gleichgültigkeit, Introversion, Abneigung gegen Neues, starke Ausprägung für Theoretisches, Härte, auffallende Empfindlichkeit (insbesondere gegen erahnte oder wirkliche Kritik), allgemein niedrige soziale Verträglichkeit und Gefühlsarmut ... So ein cooles Gürkchen neben sich im Bett, läge sicherlich schwer im Magen für jeden "Normalo".
Aber mir fällt seit Jahren auch etwas erschreckendes auf bei Leuten meines Alters, die gar keine Gurke im Aszendenten haben. Es
handelt sich auch hier um "schizoide Züge", denn es fällt eine durchgehende emotionale Resistenz auf. Medien wie "E-Mail" und "SMS" spielen diesem Typus natürlich voll in die Handys, wie ich hier
auch schon an anderer Stelle ausgeführt habe. Man geriert sich dieser Tage schwerst
distanziert und geht auf emotionale (oder "intensive") Statements lieber gar nicht erst ein. Man tut, wie in den 90-ern bei 'After Eight', "als habe man es nicht bemerkt ...ä-hü". Dabei ist es
auch egal, welchen "Reifegrad" ich bisher dieser Beziehung zugemessen habe: Ich werde einfach ins Leere laufen gelassen, meine Einsätze verpuffen so substanz- wie spurlos und ich klatsche mit
meinem Statement oder Anliegen voll gegen die sprichwörtliche Wand! Aber auch im direkten Gespräch wird mir dieselbe gruselige Abwendung von Betroffenheit zuteil: Man tut auch hier einfach so,
als hätte man den Satz jetzt eben nicht gehört! Man schürzt die Lippen, manche machen uninteressiert "Hm", die meisten machen gar nichts und sagen nach drei bis fünf Sekunden aufgeräumt: "Du, mal
was ganz anderes eben - hast Du jetzt eigentlich schon ..."
Hier zeigt sich eine seelische Verarmung und innerliche Verhärtung, die mich immer wieder schwer erschüttert. Ich meine, ich kann den Leuten ihre Statements ja nun nicht gewaltvoll raus schütteln - nicht, dass der Impuls nicht da wäre! Die Beziehungsebene wird so richtiggehend ausgetrocknet, sozusagen luftgetrocknet - mit Leere gefüllt - und ich bekomme bei den meisten Menschen mittlerweile einfach keinen Fuß mehr in die Tür. Auch hier: Abwehr von Betroffenheit.
Möglicherweise stimmt es auch ein bisschen, was alle immer so ermattet vorschieben: "Man ist so voll. Es ist immer so viel. Irgendwas ist immer. Man mag nichts mehr hören irgendwie ..." Ja, schon möglich. Aber dann liegt da die BILD auf dem Küchentisch und nebenher läuft das Radio. Und im Wohnzimmer läuft später dann garantiert der Fernseher. Was heißt hier also "voll" ...??? Wenn ich "voll" bin und ABschalten will, bin ich nicht gut beraten den ganzen Müll erst noch ANzuschalten!
Nein, was hier nur schlecht kaschiert wird, ich schreibe es jetzt einfach mal unverblümt auf, gelöscht ist es ja schnell wieder, ist eine soziale Inkompetenz! Die muss natürlich schon immer da gewesen sein, aber man hatte sich wohl dann eben irgendwie immer durchgewurstelt. Aber nicht nachgelernt. Und nun geht es mit Riesenschritten auf die Fünfzig zu - und es wurde immer noch nichts dazugelernt! Konflikte sind immer noch ein Horror! Emotionen sind ein Graus! Kann man nicht mit umgehen, will man nicht haben, blendet man aus! Einfach unsichtbar gemacht und wortlos ins OFF gestellt zu werden, mit dem, was in mir gerade lebendig ist, bezeichnet für mich ein extrem widerliches und krank machendes Gefühl. Es ist "tödlich", wenn man so ist, wie ICH bin: lebendig, in Einklang, auf Bezeihung aus, emotional und seelisch vollkommen anwesend, voll zurechnungsfähig. Und da stehe ich jetzt - die ganze persönliche Entwicklung hätte ich mir schenken können, ernsthaft. Was nützen einem die tollsten Spielzeuge, wenn keiner mehr die Tür aufmacht ...?!