Grüße von der Food-Stylistin 

Ich traf auf diese unglaublich bescheuerte Bezeichnung „Food-Stylistin“ im Editorial eines „Genussmagazines“. Als „Food Styling“ bezeichnet man die Herstellung und Präparierung von Lebensmitteln zum Zwecke der Bildaufnahme für Werbung. Es soll ein möglichst ästhetisches Bild angeboten werden, um einen Kaufreiz auszulösen. Die wegen des unausbleiblichen Welk-Effektes während eines Shootings/Drehs stets gefakten Produkte müssen bei größtmöglicher Ähnlichkeit zum Produkt Appetitlichkeit, Frische und Geschmack suggerieren. Ich erinnere mich noch an den entsetzten Aufschrei, der in den 80-ern durch Deutschland hallte, als Raider nicht nur plötzlich Twix hieß, sondern als sich dann auch noch herausstellte, dass die üppig fließende Schokolade im Spot nichts als dicke, kackbraune Lackfarbe war …! Grüße vom Foodstylisten. Ich habe mal einen von denen persönlich kennengelernt: Traumberuf „Gemüsefotograf“. Der massierte immer erst jedes Radieschen ganzkörperlich mit Öl durch, bevor es sich lasziv mit dem Schwänzchen wedelnd vor der Linse räkeln durfte. Erhebend irgendwie.

 

Ich hatte just im Dezember einen Anfall und kaufte mir mal ausnahmsweise ein Genussmagazin. Das sah so unfassbar lecker auf dem Deckblatt aus! (Grüße vom Foodstylisten. Die Rechung ist also ganz klar aufgegangen ...) Weil ich nämlich so bei mir dachte, ich könnte doch mal ein ganz neues Weihnachtsmenü zusammenstoppeln, anstatt des öden Fondue immer. Kennt man doch: schnibbel-schnibbel, stipp-stipp, klecker-klecker, stink-stink und die ewige Frage: Wer von uns hat eigentlich die Brennpaste gekauft ...? Ich jedenfalls mal nicht ...

 

Am schönsten waren die Stunden, die ich einfach nur mit dem Blatt zubrachte. Ich lag spätnachmittags unter einer gemütlichen Lampe quer auf dem Bett, schlürfte gewürzten, heißen Bratapfelglühwein, knabberte zierlich an einem Schoko-Lebkuchen und las jedes Rezept aufmerksam durch. Ich studierte die Tipps, begutachtete sogar wohlwollend das weihnachtlich gepimpte Werbeangebot (Boah, ey: Keksdosen mit roten und grünen Elchen drauf!!) und betrachtete intensiv die leckeren Bilder. Ja, man kann sagen, ich holte mir richtig Appetit. Ich stellte dann auf Karteikarten streberhaft Menüs für die Feiertage zusammen, machte Rezept-Listen, Koch-Listen, Vorbereitungs-Listen und Einkaufs-Listen … Das war richtig Arbeit! Und dabei hätte ich es rückblickend auch eigentlich belassen sollen. Die ganzen Listen lochen und dann wegschmeißen. Dann noch einen Glühwein auf die Lampe gießen - und hopp zurück zum Fondue-Topf … Da weiß man, was man hat, guten Abend!

 

War dann aber nicht.

Denn ich erlebte stattdessen eine fette Kette von Flops mit den schicken Rezepten da drin. Betonung auf FETT. Ich weiß nicht, wie man die Frechheit besitzen kann, solche Müllrezepte auch noch zu verkaufen. Unter ernährungswissenschaftlichen Grundlagen waren die eine Zumutung und vom Fett-, Stärke- und Zuckergehalt her eine Gefahr für Leib und Leben! Man hätte das Heft auch „Easy zum Herzinfarkt in 30 Tagen!“ nennen können! Ernsthaft jetzt, jedes einzelne Rezept da drin „hatte es in sich“! Das sah ich dann aber leider erst, als ich mit den von der Food-Stylistin erzeugten Kreationen schließlich selber hantierte! Es waren etliche Einkäufe zu absolvieren, es kostete alles spürbar Geld. Und der Aufwand stand in einem hoch-positiven Verhältnis zum Abwasch: einfach uferlos!

 

Es waren Rezepte dabei, die ich tatsächlich einmal ausprobierte, weil sie mir so dermaßen strange erschienen: espresso-gebeizter Lachs! Das Bild zeigte einen offensichtlich rohen, hell-orangefarbenen, glatten, glänzenden Lachs ohne einen einzigen Krümel drauf. Mein Lachs war gebeizt, das heißt vorgegart, hell, faserig und von oben bis unten mit zerstoßenem Espresso und zermatschten Kräutern voll, wen wundert es an dieser Stelle. Und das ging natürlich auch nur in Teilen wieder ab, es war schlichte Physik. Es sah also nicht so aus, als dass man schnell den Fischfotografen hätte rufen sollen. Die Sauce war noch spektakulärer: Man kochte ein ganzes Paket Suppengrün auf (der Sellerie alleine passte geschmacklich natürlich 1A zum Espresso), und passierte es dann mit Rübenkraut (schwarzer Sirup) durch ein Sieb. Iehgitt, was für eine ekelhafte Pampe war das! Auf dem Foto waren um den rohen Lachs kleine dunkel-klare Tüpfelchen gesetzt (ganz offensichtlich pures Rübenkraut). Meine Sauce sah aus, wie der Kampf-Durchfall von meinem Mops. Hatte leider auch eine ähnliche Konsistenz. Konnte ich nicht essen! Überzeugte geschmacklich auch nicht im mindesten. Der Lachs war ganz O. K., andererseits musste man sich unter dem Knirschen der Espressobrocken beim Essen schon auch fragen, warum Edelfisch eigentlich unbedingt nach Kaffee schmecken musste …?!

 

Im nur zweitbesten Fall waren es dann Nahrungs-Zusammenstellungen, die jeder Ernährungslehre spotteten und die allesamt ungeschönt in Richtung „Stärke-Overkill“ gingen. Zum Beispiel „Lamm mit Bulgur-Linsen“. Das Pendant dazu wäre dann wohl die klassische „Kartoffel-Nudel-Pfanne“ oder „Makkaroni gefüllt mit Parboiledreis“. Zwei Stärkebestandteile auf einem Teller galten schon immer als höchst ungesund, dick machend und bis gar nicht so langer Zeit sogar als „unfein“. Ungefähr wie blaue Hose und braune Schuhe. Der nächste Wurf war aber auch nicht besser: „Gans mit Kartoffel-Kürbis-Pürree“. Und das Top-Modell der Stärke-Fraktion: „Kartoffel-Maronen-Suppe“. Gegen einigen Widerstand kann man sicherlich in der Schüssel sogar noch den Löffel bewegen … Schneller radiert man einen Diabetiker nicht aus dem Bild, als mit so einem Rezept!

 

Im drittbesten Fall war die Zubereitung einfach nur völlig verplant oder total unpassend.

Da war die Rede von „in der Pfanne kandierten Lauchzwiebelröllchen“ …?! Und „scharf angebratenen Zitronenscheiben“ ...

Ich hatte mich auf die „Gemüserosen“ als Beilage zum Vogel so gefreut. Dann stellte sich aber leider heraus: was für ein technisches K. O.! Es war fast unmöglich Kartoffel-, Zucchini- und Möhrenscheiben so dünn zu schneiden, dass sie nicht kaputt gingen, sie dann 30 Sekunden lang zu blanchieren, wieder unverunfallt herauszuheben, sie danach vollkommen trocken zu bekommen, um sie schließlich zu dritt gestapelt adrett gemeinsam einzurollen. Eine Katastrophe! Und der Gemüsefotograf kriegte einen Avocadoinfarkt, als er das Gemetzel da schließlich sah. Aber es geht immer noch doofer: Wo die Gemüserollen zusammengedreht standen, waren sie nicht ganz durch, dafür aber an den Spitzen schön braun und gummiartig. Im Mittel also die perfekte Garung!

 

Im viertbesten Fall kam es dann zum Fett-Overkill.

Ich arbeitete z. B. die „Gurken-Lachs-Türmchen“ als Vorspeise nach. Schon bei der Zubereitung wurde mir dann etwas blümerant: wenn DAS die Vorspeise war, wer bitte schaffte danach noch die Gans mit dem Kartoffel-Kürbis-Pürree …?? Aber ich gab nicht auf, das sah so frisch aus und klang auch danach: Lachs-Gurke …! Nachdem dann zwei Pakete Doppelrahmfrischkäse, ein Becher Schmand, zwei Eier und Gelantine angerührt waren, wurde das Fettpaket schichtweise mit Gurke und fettigem Räucherlachs belegt. Am nächsten Tag erlebte ich dann den „Labello-Effekt“ beim Essen … Ich hätte auch einfach einen Becher Doppelrahmfrischkäse auslöffeln können und abwechselnd von Gurke und Lachs ein Stück runterbeißen. Bah … Ich schaffte nicht mal am nächsten Tag Portion Nummer zwei, weil es mich schlicht vor dem ganzen Fett ekelte.

 

Im letzten Fall kam es dann zum Overkill-Extreme, mit alles.

Die Geheimwaffe, um an Weihnachten eine ganze Familie ins diabetische Koma zu schicken lautete „Banana-Cheese-Cake“. Und ich möchte Euch dieses wundervolle Rezept nicht vorenthalten – nur falls ihr mal unauffällig („Huch?!“) eine Party crashen wollt.

 

Man nehme:

- Tortenboden: 200 gramm Spekulatius, zu Krümeln verarbeitet und mit 80 Gramm zerlassener Butter aufgerührt.

   ¼ davon zurückbehalten.

- Die Creme: 2 Pakete Doppelrahmfrischkäse, 1 Becher Schmand, 4 Eier, 150 gr. Zucker, ein mit 500 ml Vollmilch zubereiteter

  Vanillepudding, eine Prise Salz.

  Auftragen, glatt streichen.

- Die Bananen: restliche Spekulatius auf der Creme verteilen. Der Länge nach und halbiert geschnittene reife Bananen mit der

  Schnittseite nach unten eng auflegen.

- Die Ober-Creme: einen Becher Schlagsahne mit Vanillezucker, 40 gr. Zucker und einem Beutel Sahnesteif fest aufschlagen.

  Auftragen.

- Der Guss: 150 gr. Kuvertüre mit einem Becher Schlagsahne schmelzen und großzügig rundherum auftragen.

  Im Kühlschrank erstarren lassen.

 

Naaaa, wie klingt das, außer nach einem Herzinfarkt?!

Der Erfinder dieser Zumutung hat sich freundlicherweise erlaubt noch etwas darunter zu schreiben, möglicherweise als Warnhinweis: 500 kcal pro Stück. Verstehe.

Ich wurde regelrecht wütend darüber. Wie konnte man denn den Menschen so etwas anbieten! Hatte denn da in dem Schuppen keiner Nerven oder auch nur einen Hauch Sachverstand?! Ging es hier etwa nur darum möglichst viele bescheuerte Zutaten so zu mischen, dass die mittlerweile ja reichlich ausgelutschte Kochbranche noch einen Gimmick erzielte …?

 

Oder war ich hier der einzige Trottel, der solche Blättchen ernst nahm und das wirklich auch noch nachkochte?! Es war ja bekannt, wie viele Leute Kochsendungen ansahen und wie viele dann etwas nachkochten: fast keiner.

Früher, da trafen sich die Hausfrauen hordenweise, wenn das neue Heftchen erschienen war und kochten im Rudel alles nach … Da konnte man sich solche verrückten Rezept-Flops nicht erlauben, sonst hätte die Meute noch in Schürzen die Redaktion gestürmt und mit Eiern geworfen - oder was halt grad zur Hand war!

Und heute? Da schauen die Leute sich vielleicht „zur Inspiration“ die Bilder an und denken sich wahrscheinlich Sachen wie: „Ah, Linsen hatten wir auch schon lange nicht mehr, gute Idee …“