Keine Ahnung, wie es anderen „Usern“ mit dem Thema so geht, immerhin möchte man sich ja nun auch nicht gleich überall als virtueller Büffel outen. Nebenbei gesagt ist die Gebräuchlichkeit des Namens „User“ für Internetbenutzer derselbe wie der für Drogensüchtige. QUED …?
Ich spüre es schon länger, diese Internet-Müdigkeit, und sie wird immer schwerer.
Es begann schon mit der Flut an Spam, die vor ca. 10 Jahren die Accounts der Welt massiv zu überspülen begann. Man wird dieser Plage nicht mehr Herr, wenn irgendein Krimineller von irgendeinem anderen Kriminellen die irgendwo abgezogene Internet-Adresse erbeutet hat und nun schamlos lebenslang für seine Zwecke ausnutzt. Wie man so hört, besteht bereits über 65% aller Mail-Traffic aus Spam. Aus gewissen „Newslettern“ bin ich seit ca. 10 Jahren nie mehr heraus gekommen, egal wie oft ich auch auf „abmelden“ geklickt habe. Diese „Abmelden“-Links sind in einigen Fällen nur Fakes, um einer Abmahnung zu entgehen. Und gewisse Spam-Nachrichten verfolgen mich mittlerweile seit Jahren, sie lassen sich nicht mal mit genau definierten Outlook-Regeln oder Spam-Filtern ausschalten.
Dann begann das Versenden von infizierten Anhängen, mit Viren, just for Fun. Oder Umleitungen auf gefälschte Seiten, die den echten Seiten zum Verwechseln ähnelten und auf den Diebstahl von Passwörtern abzielten. Später enthielten Mails gefälschten Links mit Umleitungen auf unerwünschte Seiten und mittlerweile sind verseuchte Anhänge bevorzugt mit Trojanern gespickt, die Tastatureingaben ausspionieren. Alles Aktionen mit dem erklärten Fokus mir offen oder durch die Hintertür einen Schaden zuzufügen, ohne dabei selber in Erscheinung zu treten.
Richtig bemerken tat ich diese Müdigkeit, als der Java-Script-Wahn ausbrach und ein Großteil der besuchten Seiten überhaupt nicht mehr bedienbar war, ohne dass man nicht Klick um Klick um Klick und Refresh um Refresh um Refresh da ablieferte, um alles mögliche nacheinander zu erlauben, an dem man ja sowieso nicht vorbei kam, wenn man was von der betreffenden Seite brauchte! Wie oft hatte ich nicht schon „mal eben schnell“ alles ausgefüllt, nur um dann zu bemerken, dass die Seite überhaupt nicht reagierte, weil sie auf 28 Java-Freigaben wartete und prompt ohne Vorwarnung alles wieder löschte, wenn ich diese dann notgedrungen gab.
Und überhaupt dieser Ausfüll-Wahn. Fast nirgendwo ist es mittlerweile mehr möglich einfach mal informell teilzunehmen, ohne nicht seine komplette Datenladung da abzuliefern. Registriere Dich! Melde Dich an! Logge Dich ein! Werde Mitglied! Und: zahle, zahle, zahle für alles und jedes! Das Internet ist schon längst keine Informationsplattform mehr, sondern ein einziger weltweiter Claim, der vor Goldsuchern und Claimräubern nur so wimmelt. An jedem einzelnen Angebot hängen mittlerweile Trauben an saugenden Zecken, die alle von jedem einzelnen Klick partizipieren wollen.
Bis vor gar nicht allzu langer Zeit, konnte man sich noch in ein Forum begeben, auf dem sich z. B. Hundesitter versammelt hatten. Da nahm man Kontakt auf und alle freuten sich. Dann entdeckten die Foren-Inhaber, dass man super Geld mit solchen Hilfeleistungen verdienen konnte und verlangten von den Angebot-Erstellern (also von den Hundesittern) eine „Premium-Mitgliedschaft“ – gegen Bares, versteht sich. Das war noch ethisch nachvollziehbar, weil fast überall der mit der Annonce schon immer irgendwas gezahlt hat. In der neueren Zeit gibt es solche Angebote aber nicht mehr. Aus Foren-Inhabern sind mittlerweile Zecken geworden, die sich sowohl von den Angeboten bereichern, als auch noch von denen, die diese Angebote nutzen wollen. Das bedeutet: Der Hundesitter zahlt, um gesehen zu werden und der Hundebesitzer zahlt auch (und zwar „mal eben schnell“ zwischen 35,- und 59,- Euro), um mit dem dort gesehenen (realen?!) Hundesitter überhaupt nur mal in Kontakt zu treten! Welche Zombies sich hinter den Profilen verbergen, obliegt dann eben dem heiligen Zufall und ist dem Forums-Inhaber ja nun herzlich egal. Kann ja immerhin auch klappen! Diese kleine Finesse allerdings bemerkt der Hundebesitzer leider jeweils erst in dem Moment, wo er sich – was er überhaupt nicht vorhatte – registrieren musste und dazu seine gesamten Daten über alle Klicks brav abzugeben hatte. So ausgeplündert möchte er also endlich einen Kandidaten ansprechen und schon öffnet sich ein putziges Fensterchen: „Erst Kohle, sonst kein Kontakt!“
Die Alternative: Kleinanzeigen. „Ich führ ihren Hünden Gasi!“ Ja, das machst Du sicherlich auch ganz fantastisch, allerdings nicht mit meinen Hünden.
Parallel dazu wurde die Welt mit einer Virenwelle von sogenannten „Browser Hijacker“ überschwemmt, die man, wenn man sie einmal irgendwo unwissentlich aufgesammelt hatte, vermutlich nie mehr los wird. Keiner weiß genau, wie diese Viren es schaffen sich an den Browser zu hängen, um ihn teilweise etwas und teilweise komplett unter ihre Kontrolle zu bringen. Das reicht von „toten Seiten“, die sich im Hintergrund mit öffnen und vom Virenscanner schon angekillt wurden, bis hin zur totalen Unbenutzbarkeit des Browsers, der dann eine neue Startseite hat und nach Belieben auf mit Werbung förmlich verseuchte Seiten umleitet … bestenfalls auf Seiten mit Werbung.
Apropos Werbung. Meine Prognose ist, dass das Internet in spätestens fünf (möglicherweise auch drei) Jahren nicht mehr normal benutzbar sein wird, weil es sich komplett zu Tode gespammt hat. Es ist ja schon jetzt klar erkennbar, was z. B. kommerziell für ein Irrsinn bereits auf Youtube läuft. Fast kein Video ist mehr anklickbar, ohne dass man nicht vorher 20 Sekunden mit unerwünschter Werbung bombardiert wird. Bis vor kurzen war es ein rein privater Tummelplatz, auf dem Leute eben einfach ihre privaten Videos geteilt haben. Jetzt ist es ein Marktplatz, auf dem der Großteil der Videos schon wieder gesperrt oder verboten ist. Dafür kann man aber ja immer noch Werbung sehen. Der Kinderfernsehsender NICK hat im Internet 22-Minuten-Streams seiner tagsüber laufenden Comics geladen, die auch durch vorherige Werbung geplompt sind und mittlerweile sogar in der Mitte von Werbung unterbrochen werden … Was dazu führt, dass sich der ganze Mist komplett immer an der gleichen Stelle an diesem unglaublichen Datenhaufen aufhängt und man keine Folge jemals zu ende sehen kann ...
Internetfernsehen ist fast nicht nutzbar, weil er nur über den Browser „Google Chrome“ wirklich einwandfrei funktioniert, an dem aber parallel ganze Schwaden an Hijackers hängen. Diese öffnen auch mit Sprachnachrichten im Hintergrund ungebeten Fenster, die auf nichts reagieren und sich nur gewaltsam über den Task-Manager beenden lassen, während sie mit ihrer ungebetenen Werbebotschaft ununterbrochen auf einen einpeitschen. Ein Grund es besser ganz und gar zu lassen, stellte ich extrem ermüdet fest, denn diese Art virtuellen Kontrollverlustes ist wirklich gruselig.
Alle anderen User surfen auf einer ganz anderen Welle, als ich: Da heißt die neue Sportart „Klicks generieren“. Wozu auch immer, außer möglicherweise zur Egopflege, habe ich eigentlich nie verstanden. Dann stieß ich auf die Information, dass man sich sowohl gefakte „Klicks“, wie auch „Abo’s“ als auch „Comments“ kaufen kann. Gekauft wird der "Traffic" gleich im Zehntausender Bundle für ein paar Dollars. Ich erfuhr: Die Dunkelziffer der mit illegalen Mitteln erworbenen „Klicks“ allein auf Youtube ist gar nicht mehr abzusehen. Oft lassen nur die Kommentare Schlüsse auf mögliche Unregelmäßigkeiten zu. Der erklärte Nutzen: Es wird sowohl die Größe des Unternehmens, wie auch das echte Interesse und die reale Zufriedenheit am Angebot verschleiert. Damit wird die Aufmerksamkeit von Konsumenten gebunden, die aufgrund der immer mehr auf ihn hereinbrechenden Informationsflut immer schwieriger zu bekommen ist. Der Drang Informationen richtig zu selektieren, wird also immer stärker und weil der Mensch nun mal ein Rudeltier ist, vertraut er im Zweifelsfall eben dem Geschmack der Masse. Der Gesetzgeber sagt dazu: „Es handelt sich um gefälschte Referenzen im Sinne von Empfehlungen, die so zu einem Kaufentschluss führen können“. Kleines Problemchen: Social Media ist so schnell so wichtig für die Wirtschaft geworden, dass sich bisher niemand Gedanken über möglichen Missbrauch gemacht zu haben scheint. Erst angesichts sich neuerdings häufender Enthüllungen, stellen sich gewisse Leute gewisse Fragen, ob das alles eigentlich überhaupt noch die richtige Richtung nimmt? Oder was viel interessanter ist: ob es überhaupt noch eine irgendwie kontrollierbare Richtung nimmt?! Das ist auch extrem ermüdend: Sich auf die Meinung „einer neutralen Öffentlichkeit“ zu verlassen, die irgendein Krimineller vorsätzlich bei irgendeinem anderen Kriminellen über PayPal gekauft hat, um genau diese Öffentlichkeit mittels falscher Zuversicht über den Tisch zu ziehen …
Den anderen Hype, dem die User verfallen sind, ist der „Gefällt mir“-Wahn. Die „Like“-Klicks werden genauso gesammelt, getauscht und gekauft wie anderer „Traffic“. Die noch sauberste Transaktion ist dabei: "Klickst Du mich, klick ich Dich!" Denn diese Klicks bringen nachweislich mehr Traffic auf das eigene Angebot und wirken wie anonymes Empfehlungsmarketing. Der „Gefällt mir“-Knopf macht sich das menschliche Grundverlangen nach persönlicher Wirksamkeit, positiver Bestätigung und Wertschätzung zu Nutze. Manch Einer ist schon süchtig nach den „Like“-Klicks, denn er setzt es mit etwas wie Zuneigung gleich. Nach den Soziologen fungiert „Like“ als soziales Feedback-Instrument, das zu erkennen gibt, ob man noch seiner sozialen Gruppe angehört und wie man dort ankommt. In der virtuellen Welt sind die Kosten, gesehen und „gemocht“ zu werden extrem gering. Das klingt schon beim Lesen anstrengend …
Andere, weniger renommierte Foren, haben das natürlich gleich mal kopiert und mit der bescheuerten Taste „Klaus Becker findet das interessant“ übernommen. Ermüdender geht es dann wirklich nicht mehr, als einen gut durchdachten Beitrag abzuliefern und eine Reaktion zu ernten, der klar ablesbar ist, wie interessant Klaus Becker das wirklich fand. So interessant, dass er kurz mal seinen arthrotischen rechten Zeigefinger ein paar Millipont nach unten bewegt hat. Ganz, ganz große Reaktion. Bringt mich jetzt wirklich nach vorne.
Und um der Sache den Zipfel aufzusetzen, hat sich jüngst auch noch herausgestellt, dass durch die bloße Einbettung des „Like“-Buttons auf einer Site der ganze Facebook-Clan gleich kostenlos alles mitliest, wenn die betreffende Seite bloß geöffnet wird. Denn nur durch das Vorhandensein des Buttons, setzt Facebook „Cookies“ auf die Rechner der Seitenbesucher. Weder werden Besucher darüber informiert, noch können sie die Datenweitergabe an Facebook unterbinden oder gar löschen. Ein klarer Verstoß gegen das Telemediengesetz, europäische Datenschutzstandards und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sagt die Verbraucherzentrale. Sie verklagt mittlerweile Unternehmen mit dem „Like“-Button auf der Homepage wegen unlauterem Geschäftsgebaren. Wie anstrengend … da klickst Du bei Dior auf die Startseite und schon hast Du Dich unwissentlich an Facebook ausgeliefert!
Ganz davon abgesehen, dass „Facebook“ mal ein Forum der Privatpersonen war, die sich vernetzen wollten und das mittlerweile hemmungslos von allen Firmen als kostenlose Werbeplattform ausgenutzt wird. Wer bitte braucht denn wohl Nestle, Pfaff und Adidas, die sich auf einer Plattform von Privatmenschen wie reale Personen bewegen?!
Alle anderen Foren, auch beruflicher Natur, sind nicht besser. Im Prinzip geht es dort fast ausschließlich um knallharte Eigenwerbung und um nichts anderes. Alles
ringt um Deine Aufmerksamkeit, will Deinen Fokus, will Deine Zeit, will Deine Klicks, will Dein "Gefällt mir" – und will Dein Geld! Das ist es, worum es letztendlich fast doch immer und
ausschließlich geht: um Dein Geld! Wie eindimensional und wie lebensfremd ermüdend …